Abgebrochen. Vernichtung von Raum und Zeit und ein gewaltiger Verlust sinnlicher Wahrnehmung. Ende der Reiseunterhaltung, Beginn der Reiselektüre. So erlebt und beschreibt das frühe 19. Jahrhundert das Ereignis Eisenbahn. Wie kein anderer hat Wolfgang Schivelbusch in einer großartig recherchierten und brillant geschriebenen Geschichte der Eisenbahnreise gezeigt, wie die kolossale Netzwerkmaschine Eisenbahn Welt und soziokulturellen Raum zerstört und hervorbringt. Die neue Art des Reisens hat Blick, Stadt und Architektur, Landschaft und soziale Beziehungen umgekrempelt.

Heute bewegen wir uns (scheinbar) selbstverständlich mit höchster Geschwindigkeit in komplexen Systemen, im Schienen- und Straßennetz, auf Schiffs- oder Flugrouten, im Datennetz. Hochgeschwindigkeitsbahnen alle. An einer dieser Verkehrsadern, am Freiburger Autobahnzubringer-Mitte, an der Dreisambrücke Berliner Allee, wurde vor 23 Jahren eines der unauffälligsten, aber (ursprünglich) weithin sichtbaren Kunstwerke im öffentlichen Raum installiert. Karl Rissler hat Straße und Verkehr, Flussbett und Wasser, Leitung und Strom in Beton gegossen.

Gleichförmig-schnelle Bewegung verdichtet im Segment eines Strahlengangs. Der begleitet Schnellstraße, Fluss und Stromleitungen weit über seine fragmentarische Erscheinung hinaus. Sollten Zubringer, Dreisam und Stromleitungen tatsächlich noch natürlichen Geländeformationen folgen, Risslers Strahl schießt blind durch Stadt und Land und Berg und verschwindet, ungesehen, irgendwo. Die Utopie aller Technikfreaks: exakt bis 100 Stellen nach dem Komma, betonhart und lasergerade. Ein idealtypisches Bild aller Trassen und Kanäle, der elektrischen Leitungen und Datenströme. Aber Risslers gnadenloses Bild evoziert auch den Rest: Unterbrechung, Schock und Tod.

Wuchernde Bepflanzung und geistlose Übermalung mit Graffiti haben das zurückhaltende Werk zum Verschwinden gebracht. Die Umverteilung der drei Bildsäulen (bei Erweiterung der Berliner Allee) hatte es noch unbeschadet überstanden.

Richard Schindler