Die in der Rechtsprechung gebrauchten Begriffe
"Schönheit der Landschaft" und "Landschaftsbild" legen es nahe, für
den damit in Frage stehenden Problemkomplex "Bild und Bildästhetik"
und seine Bearbeitung ausgewiesene Experten zu bemühen (weshalb wir
dieses Gutachten angeregt und den Auftrag dazu angenommen haben.
Siehe Kapitel 1.). Bildende Künstler, aber auch Kunsthistoriker,
Kritiker, Ausstellungskuratoren oder Galeristen, befassen sich
traditioneller Weise mit der Wahrnehmung und Beurteilung von
Bildern. Dennoch wurde nach unserer Kenntnis deren Fachwissen auch
in problematischen Fällen bisher nicht zu Rate gezogen.
Da es bei Fragen der Landschaftsplanung und des
Landschaftsschutzes nicht nur buchstäblich um Landschaft geht,
sondern auch um ihre Wahrnehmung und Bewertung „als“ Bild, bzw. um
ihren bildhaften Charakter, sollte die Beteiligung der genannten
Expertengruppen am methodologischen Diskurs zur
Landschaftsbildanalyse selbstverständlich sein.
Da sich derzeit eine allgemeine
Bildwissenschaft erst allmählich herauszubilden scheint und bildende
Künstler nicht nur als Bildproduzenten, sondern auch als
Rezeptionsexperten angesehen werden müssen, ist die Einbindung
bildender Künstler zur Bearbeitung des Problembereichs
Landschaftsbild als zielführend anzusehen.
Hinzu kommt, dass Wahrnehmung und Beurteilung
von Landschaft weitgehend von künstlerischen Bildern (Bildende
Kunst, Musik, Dichtung und Literatur) geprägt sind. Auch Politiker,
Richter, Landschaftspfleger oder Landschaftsschützer und –architekten
sind davon nicht unberührt. Und dies gerade dann, wenn künstlerische
Bilder heute primär über populäre Medien vermittelt werden.
Deshalb haben wir eine spezifische
Rezeptionssituation mit bildenden Künstlern geschaffen: Nicht im
Atelier, sondern in unmittelbarer Anschauung des fraglichen
Gegenstandes (Landschaftsbild) sollten ästhetische Betrachtungen,
Urteile und Begründungen evoziert werden. Geltungsbasis ist also das
unmittelbare, in Ansehung der Ausdrucksgestalt (Landschaftsbild)
artikulierte ästhetische Urteil bildender Künstler. Die dabei in
Anspruch genommene Perspektive ist „das geschulte Auge“ im Sinne
stellvertretender Deutung. Methodologisch ging es darum, zur
Kontrolle und Geltungssicherung unserer Analysebefunde einen
weiteren, veränderten Zugang zum Untersuchungsgegenstand zu schaffen
(Evidenzsicherung im Sinne methodischer Trinangulation,
Multiperspektivität).
Die Urteile der Kollegen können die
Begründungen und Explikationen unserer Analyse weder bestätigen,
noch widerlegen. Aber in dem Maße, in dem diese Ad-hoc-Urteile mit
den Ergebnissen unserer Analyse übereinstimmen, haben diese, und der
explikative Weg dorthin, sich bewährt. Dissonanzen würden unsere
Analyse nicht „falsifizieren“, aber in Frage stellen. Wir müssten
dann diese Dissonanzen explizieren und aufheben: also die Frage
beantworten, worin besteht die „Wahrheit“ der Abweichung der
divergierenden Urteile.
Die Kollegen haben sich freimütig und vor Ort
in 4 bis 5 Stunden währenden Einzelgesprächen geäußert. Die Beiträge
wurden schriftlich protokolliert, am selben Tag zusammengefasst und
den Gesprächspartnern zu Korrektur und Unterzeichnung übergeben. Die
Auswahl der Experten ergab sich aus deren künstlerischem Werk und
dem Umstand, dass sie in Freiburg bzw. in der näheren Umgebung
Freiburgs leben und arbeiten und also die fragliche
Schwarzwaldlandschaft kennen. Die Künstler waren: Klaus Merkel,
Stephan Khodaverdi, Annette Merkenthaler, Peter Dreher, Jürgen
Giersch, Herbert Wentscher, Martin Kasper und Bernd Seegebrecht.
Ohne Anmerkungen, aus:
Richard Schindler, Landschaft verstehen.
Industriearchitektur und Landschaftsästhtik im Schwarzwald
modo Verlag Freiburg, 2005
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